E-Scooter Gipfel in Wien

Geschäftsgebiete der E-Scooter-Betreiber in Wien im August 2019, Quelle: Moran, Laa & Emberger (forthcoming) Six Scooter Companies, Six Maps: Spatial Coverage and Regulation of Micromobility in Vienna, Austria

Heute findet in Wien der E-Scooter-Gipfel zwischen Stadt Wien und Betreibern statt; Interessensvertretungen von Fußgehenden (Walk-Space, geht-doch.Wien) und Radfahrenden (Radlobby Wien) sind offensichtlich nicht eingeladen.

Im Vorfeld des Gipfels wurde auch eine Evaluierung der E-Scooter-Saison (zwischen Oktober 2018 und August 2019) präsentiert:

  • 549 Organmandate (insb. wegen Missachtung Rotlicht, Telefonieren beim Lenken, Befahren des Gehsteigs, Verstöße gegen Fahrradverordnung)
  • 513 Anzeigen (davon 103 alkoholisiertes Fahren, sechs Mal Fahren unter Suchtgifteinfluss, die übrigen 404 Anzeigen wurden insb. auch wegen Missachtung Rotlicht, Telefonieren beim Lenken, Befahren des Gehsteigs, Verstöße gegen Fahrradverordnung gelegt)
  • 398 Abmahnungen (bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen)
  • 60 Verkehrsunfälle mit Personenschaden
  • Sieben Verkehrsunfälle mit Sachschaden
  • 32 sonstige Interventionen (z. B. Befahren einer Grünanlage)

Zusätzlich habe es im Jahr 2019 1.015 Beschwerden über verschiedene Kanäle der Stadt Wien gegeben, u.a. über unrichtige Abstellung und unrichtige Nutzung der E-Scooter, in über 300 Beschwerdefällen erfolgte eine Kontrolle durch die MitarbeiterInnen des Stadtservice Wien und es wurden die BetreiberInnen zur umgehenden Entfernung der E-Scooter aufgefordert. Die Stadt überlegt nun, eigene Abstellflächen für E-Scooter zu schaffen.

Tatsache ist auch, dass die StVO bereits jetzt klar regelt, wie und wo E-Scooter abgestellt werden dürfen. In § 68 ist festgelegt, dass Fahrräder (und als solche gelten E-Scooter seit der 31. StVO-Novelle) nur auf Gehsteigen abgestellt werden dürfen, wenn diese breiter als 2,5 m sind, und auch dann platzsparend und nicht behindernd oder gefährdend.

§ 68 (4) StVO

Bereits jetzt wäre es also schon möglich, die bestehenden Regeln zu exekutieren und so eine Behinderung und Gefährdung des Fußgeherverkehrs zu reduzieren.

Die eigentliche Frage

Die Beschäftigung mit der Parkproblematik von E-Scootern ist auch wichtig. In Wirklichkeit muss sich die Stadt Wien aber zu allererst klar werden, welche Rolle E-Scooter im künftigen Mobilitätsmix der Stadt spielen sollen (Funsport-Gerät für Jugendliche, Mobilitätsoption für Touristen im Stadtzentrum, ÖV-Ergänzung für die letzte Meile, etc.).

Im Rahmen eines Studienaufenthaltes bei uns am Forschungsbereich hat sich ein Gastforscher der University of California, Berkeley mit der räumlichen Abdeckung der Stadtfläche Wiens durch die einzelnen Anbieter beschäftigt (Moran, Laa & Emberger (forthcoming) Six Scooter Companies, Six Maps: Spatial Coverage and Regulation of Micromobility in Vienna, Austria).

Seine Erkenntnisse:

  • Alle Betreiber haben unterschiedliche Geschäftsgebiete, die sich aber überlappen (s. Abbildung)
  • Die inneren Bezirke sind von allen Betreibern abgedeckt (wo das ÖV-Netz aber ohnehin sehr dicht ist), in den äußeren gibt es kaum Geschäftsgebiete (wo Bedarf an Mikromobilität für die letzte Meile wäre)
  • Alle Betreiber haben unterschiedliche „No-Parking Zonen“ festgelegt. In der Verordnung der Stadt Wien gibt es dazu Regeln, diese werden aber von allen Betreibern unterschiedlich interpretiert
  • Einige Betreiber drosseln in bestimmten Streckenabschnitten die Geschwindigkeit der E-Scooter (z.B. Mariahilfer Straße). Diese Bereiche sind weder einheitlich für alle Anbieter noch dokumentiert (z.B in den Apps).
  • Alle Betreiber haben ihr Geschäftsgebiet während der Untersuchung (Juni bis August 2019) mindestens einmal verändert
  • Für die Festlegung der Gebiete und Änderungen gibt es keine Vorgaben der Stadt, keine Berichtspflicht und keine Abnahme durch die Stadt
  • Die Stadt und die NutzerInnen werden nicht über Änderungen der Geschäftsgebiete informiert
  • Häufige und nicht kommunizierte Änderungen der Gebiete stellen eine Unsicherheit für NutzerInnen dar, die dazu führen kann, dass diese eher andere Verkehrsmittel wählen

Daraus ergeben sich einige Empfehlungen:

  • Anreize für Betreiber schaffen, wenn sie äußere Bezirke mit vorgegebener Qualität abdecken (z.B. Erhöhung der erlaubten Scooter-Anzahl)
  • Klare und standardisierte Informationsaustausch-Regeln für Geschäftsgebiete der E-Scooter-Betreiber (z.B.: verpflichtende Übermittlung jeder Änderung des Geschäftsgebiets an die Stadt und Veröffentlichung der Geschäftsgebiete)
  • Deckelung der Anzahl der Geschäftsgebietsänderungen, um Planungssicherheit für die Nutzer zu schaffen
  • Einheitliche, von der Stadt örtlich vorgegebene No-Parking Zonen
  • Einheitliche, von der Stadt örtlich vorgegebene Zonen mit Tempodrosselung

In einem breiteren Kontext wird noch Einstufung von E-Scootern als Fahrräder kritisch gesehen, und auch der Beitrag der E-Scooter zur Mobilitätswende ist noch nicht belegt.

Zu guter Letzt: wir führen gerade eine Online-Befragung zur Nutzung von privaten und Leih-E-Scootern in Wien durch. Wer schon einmal einen E-Scooter in Wien genutzt hat, ist herzlich eingeladen, die Umfrage zu machen – dauert keine 5 Minuten: Umfrage.

Parkpickerl-Gipfel in Wien

Quelle: urban

Heute fand auf Initiative der grünen Verkehrsstadträtin Birgit Hebein der „Parkpickerl-Gipfel“ (genauer: „Gespräch zu zukünftigem Verkehrs- inklusive Parkraumkonzept für Wien“) in Wien statt (DerStandard, ORF). Eingeladen waren Vertreter aller Parteien, aus den Bezirken, Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer. (Der ÖAMTC wäre auch gern dabei gewesen.) Über die Ergebnisse ist noch wenig bekannt, außer, dass Einigkeit über den Handlungsbedarf bestehe.

Zur Ausgangslage: die Stadt Wien hat sich in der Smart City Rahmenstrategie u.a. zum Ziel gesetzt

  • den Endenergieverbrauch pro Kopf im Verkehr um 40 % bis 2030 und um 70 % bis 2050 zu senken (bezogen auf 2005)
  • die CO2-Emissionen des Verkehrssektors pro Kopf um 50 % bis 2030 und um 100 % bis 2050 zu senken
  • der Anteil der in Wien im erweiterten Umweltverbund zurückgelegten Wege bis 2030 auf 85 % und auf deutlich über 85 % bis 2050 zu steigern (also den MIV-Anteil auf 15 % zu senken)
  • den Motorisierungsgrad bis 2030 bei privaten Pkw auf 250 pro 1.000 Einwohner zu senken

D.h. es braucht rasch wirksame Push- und Pullmaßnahmen, um diese Ziele zu erreichen.

Die Wirkungen der derzeitigen Regelung sind bekannt und gut dokumentiert:

  • die Parkplatzauslastung im Parkpickerlgebiet sinkt (= die Stellplatzverfügbarkeit steigt)
  • damit sinkt die Parkplatzsuchzeit
  • v.a. in den Parkpickerlbereichen leeren sich die Garagen, weil das Parkpickerl nur ca. 1/10 kostet
  • in den Randbereichen kommt es zu Verdrängungseffekten in nicht bewirtschaftete Gebiete
  • der Zonenbinnenverkehr nimmt mit steigender Zonengröße zu
  • ein beträchtlicher Anteil der EinpendlerInnen wechselt auf den öffentlichen Verkehr
  • die fehlende preisliche Staffelung der Kurzparkzonentarife nach Zentrumsnähe fördert Fahrten ins Zentrum

Damit sind aber auch die Verbesserungspotenziale klar:

  • flächendeckende Regelung für ganz Wien
  • kleinere (individuelle) Zonen (z.B. 300 m Radius um den Wohnort)
  • keine Ausnahmen für Zielorte (und schon gar nicht für Schulen, etc.)
  • preisliche Staffelung nach Zentralität bzw. rund um ÖV-Knotenpunkte
  • vermehrter Einsatz von Multifunktionsstreifen (Ladezonen tags, Stellplätze nachts)

Nicht zu vergessen: die Parkraumbewirtschaftung ist ein Mittel zum Zweck. Und der Zweck ist die Rückgewinnung des öffentlichen Raums und damit die Steigerung der Lebensqualität. Langfristiges Ziel muss also die Eliminierung der innerstädtischen Oberflächenparkplätze sein. Davon profitieren Fußgehende, Radfahrende und die Öffis.

Mit der Umnutzungs des öffentlichen Raums wird Platz frei für sichere und attraktive Fuß- und Radinfrastruktur, für ÖV-Beschleunigung (Busspuren, getrennter Gleiskörper) und für den Wirtschaftsverkehr (Ladezonen).

Die Pull-Maßnahmen beinhalten einen Ausbau der Öffis (Taktverdichtung, neue Straßenbahnlinien), v.a. in den peripheren Bezirken Wien und über die Stadtgrenzen hinaus, die Errichtung von Park&Ride-Anlagen entlang der ÖV-Achsen ins Umland, um die Pendler bereits möglichst nahe am Ausgangsort abzufangen, Investitionen in baulich getrennte Radwege entlang der Hauptstraßen (gerne auch als „proctected bikelanes“), fußverkehrsfreundliche Ampelschaltungen

Und die kommende Bundesregierung hilft hoffentlich noch kräftig mit durch die Abschaffung der kontraproduktiven Förderungen des Autoverkehrs (Dieselvergünstigung, Pendlerpauschale, etc.).

Im übrigen sind wir der Meinung (besser gesagt: haben durch eine Studie nachgewiesen), dass der Lobautunnel den Kfz-Verkehr massiv fördern würde und dementsprechend abzulehnen ist! Eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung in Wien inkl. ÖV-Ausbau würde die Tangente mehr entlasten als der Lobautunnel (dieser nämlich gar nicht!).

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