FVV-Faktencheck: Radabstellanlagen

Es gibt doch nichts, aus dem die „Krone“ nicht einen Angriff auf die „leidgeplagten Autofahrer“ konstruieren würde. 1800 der raren Wiener Parkplätze könnten Fahrradständern weichen – laut der „nicht mehr ganz taufrischen Studie“ aus dem Jahr 2013!!!

Ausschnitt: Krone vom 21. Juni 2017

Fakt ist:

– Die Studie wurde 2013 von uns (Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik) für die Wiener Umweltanwaltschaft erstellt. Die damals errechneten Werte wurden von der Radlobby Wien bis 2016 fortgeschrieben und für 2020 hochgerechnet. Die Werte sind also nicht „kurios“, sondern überaus aktuell.

– Weder Radlobby noch wir haben erwähnt, dass die Radabstellanlagen auf Kosten von Kfz-Stellplätzen errichtet werden sollen! Oft ist es völlig ausreichend, die Radständer in der 5 m-Zone vor Kreuzungen aufzustellen, in der Kfz ohnehin nicht parken dürfen. Somit erhöhen Radständer die Sicherheit an Kreuzungen durch Verbesserung der Sichtbeziehungen.
– Selbst wenn Radabstellanlagen auf Kfz-Stellplätzen errichtet werden: alleine in den Innenbezirken (1-9, 20) gibt es ca. 120.000 Kfz-Parkplätze im öffentlichen Raum. Dem Rückgang von 1,5 % Kfz-Stellplätzen (1.800 von 120.000) stünde ein Zuwachs von 37,5 % Radabstellplätzen (18.000 von 48.000) gegenüber.

Veränderung des Kfz-Bestands in den Innenbezirken seit 2002; Datenquelle: Statistik Austria; Darstellung: Ulrich Leth

– Der Kfz-Bestand in den Bezirken 1-9 und 20 ist seit Jahren rückläufig. Ende 2016 waren in diesen Bezirken um 3.300 Kfz weniger zugelassen als Ende 2014 (das sind übrigens 16.500 Laufmeter Längsparkspur, die umgenutzt werden könnten/sollen)!

– (und wenigstens das hat die „Krone“ richtig wiedergegeben: ) „Rund zehn Fahrräder passen auf einen Parkplatz …“

Ergebnisse der Straßenverkehrszählung Wien 2015

*Trommelwirbel*

Nach fast 1 1/2-jähriger Auswertung wurden unlängst die Ergebnisse der Straßenverkehrszählung Wien 2015 veröffentlicht.

Fazit: der Kfz-Verkehr auf Gemeindestraßen (A+B) in Wien hat gegenüber 2010 flächendeckend abgenommen (im Schnitt um 6,3 %) bei gleichzeitiger Zunahme des stadtgrenzenüberschreitenden Verkehrs (+2,5 %).

Verkehrswirksame (Bau)vorhaben seit der letzten Zählung 2010 waren die Fertigstellung der A5 bis ASt. Schrick und der S1 West, die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in den Bezirken 12 und 14 bis 17, die Eröffnung des Hauptbahnhofs und der Start der Besiedelung der Seestadt Aspern.

Hier geht’s zu den Ergebnissen:
2015
https://www.wien.gv.at/stadtentwicklu…/studien/…/b008495.pdf
2010
https://www.wien.gv.at/stadtentwicklu…/studien/…/b008200.pdf
2005
https://www.wien.gv.at/stadtentwicklu…/studien/…/b007603.pdf

FVV-Faktencheck: ÖV-Fahrzeitverlust durch Tempo 30

Angeblich würde der 13A durch Tempo 30 auf seiner Strecke im 8. Bezirk (~ 1,3 Kilometer) so viel Zeit verlieren, dass „mindestens drei Busse zusützlich nötig“ wären (s. „Krone“).

Ausschnitt: Krone vom Mai 2017

Zum Glück haben wir bereits vor fast 2 Jahren begonnen, die Geschwindigkeitprofile von Wiener Bus- und Straßenbahnlinien systematisch zu erheben.

Auch auf der Linie 13A hat eine Messfahrt stattgefunden, mit folgendem Ergebnis:

  • der 13A benötigt knapp 1 Stunde für einen Umlauf ( = eine komplette Runde)
  • über 30% davon sind Stehzeiten (in Haltestellen und an Ampeln) – nur 7% der Zeit ist der 13A schneller als 30 km/h unterwegs
  • bei Deckelung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h auf der ganzen Strecke beträgt die Fahrzeitverlängerung 35 Sekunden

Geschwindigkeitsprofil der Buslinie 13A

Anmerkungen:

  • Die Einzelfahrt auf der Linie 13A stellt natürlich nur ein Einzelereignis dar. Da es sich allerdings um eine off-peak-Fahrt handelt (früher Nachmittag), ist damit zu rechnen, dass der „Zeitverlust“ durch T30 bei starkem Verkehrsaufkommen noch geringer ausfällt.
  • Um tageszeitliche Unterschiede zu identifizieren haben wir inzwischen auf ausgewählten Linien vertiefte Analysen mit bis zu 30 Fahrten pro Fahrtrichtung durchgeführt.

FPÖ-Sprecher im Verkehr haben’s manchmal gar nicht so schwer ..

Gegenüberstellung der Presseaussendungen von Juli 2015 und April 2017

… mit ein bisschen Copy&Paste lässt sich da schnell mal eine 2 Jahre alte OTS-Aussendung recyclen.

Auch wenn aufgrund der Diktion jede sachliche Diskussion vergeblich erscheint:

  • sämtliche internationale Versuche, Kennzeichen für Radfahrer einzuführen, sind bislang gescheitert (der organisatorische Aufwand steht in keiner Verhältnis zum möglichen Nutzen)
  • es gibt keine Statistik zu „von rücksichtslosen Radfahrern provozierten Unfällen“; die häufigsten Unfallgegner von Fußgängern und Radfahrern sind jedenfalls Kfz
  • dass Kennzeichen keineswegs ein Allheilmittel gegen Verkehrssünder sind, zeigt ein Blick in die heimischen Tempo 30-Zonen (mit einer Durchschnitts(!)geschwindigkeit > 30 km/h)

Um die Wortmeldung und die medialen Aufmerksamkeit doch noch positiv zu verwerten: viele Konflikte, v.a. zwischen Fußgängern und Radfahrern entstehen dadurch, dass beide sich auf den schmalen Restflächen des Kfz-Verkehrs arrangieren müssen. Die Radlobby Wien hat u.a. deshalb eine Petition für mindestens eine Fahrradstraße pro Bezirk gestartet – dort fühlen sich Radfahrende nachgewiesenermaßen am sichersten.

Gehsteigbreite in Wien

Die Regelbreite für Gehsteige beträgt laut Richtlinien 2,0 m, wird in Wien aber leider oft unterschritten. Wir haben uns die Gehsteigbreiten systematisch angeschaut und diese schöne Karte produziert. Damit lässt sich bezirks-, grätzel aber auch baublockweise schnell identifizieren, wo dringender Verbesserungsbedarf vorliegt.

Wir freuen uns schon auf die vielen, spannenden Anwendungen.

Kfz-Verkehr nimmt ab

Good news!!

Der Motorisierungsgrad (Pkw/EW) sinkt in allen Bezirken, der Kfz-Verkehr nimmt flächendeckend im gesamten Wiener Gemeindegebiet ab.
Parkraumbewirtschaftung, Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und verbilligte Jahreskarte wirken: erstmals gibt es sogar mehr Wiener Linien-Jahreskarten als Pkw.

Die Ergebnisse der alle 5 Jahre durchgeführten Straßenverkehrszählung auf Gemeindestraßen, die in Abb. 1 zusammengefasst sind, sind leider noch immer nicht verfügbar, obwohl eine Veröffentlichung Mitte 2016 geplant war.

„Adipöser freut sich über neuerliche Gewichtszunahme. Vorsatz für 2017: weitere Hosen kaufen.“

Die Euphorie über „Verkehrszuwächse“ und die „imposante“ Zahl an gefahrenen Kilometern hält sich – abseits der Autobahnbetreibergesellschaft – in Grenzen. Geradezu zynisch liest sich die Jubelmeldung, wenn man an die über 1.400 Toten jährlich durch Luftverschmutzung alleine aus dem Verkehrssektor denkt.

Offensichtlich ist es noch immer nicht gelungen, das Autoverkehrswachstum vom Wirtschaftswachstum (und umgekehrt) zu entkoppeln (wobei ja Verkehrszuwächse zufolge Autobahnbau – also zufolge Wirtschaftsleistung – eine selbsterfüllende Prophezeihung sind).

Offensichtlich ist es noch immer nicht gelungen, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern.

Offensichtlich wird zunehmender Autoverkehr immer noch als Leistung und nicht als Aufwand verstanden, also positiv statt negativ interpretiert.  Mehr Autoverkehr heißt nur, dass die Raumordnung noch immer nicht in der Lage ist, Bedürfnisse vor Ort zu befriedigen, dass der öffentliche Verkehr für viele noch immer keine brauchbare Alternative darstellt, und dass gesundheits- und umweltschädliches Verhalten noch immer zu einfach, zu bequem ist und zu stark gefördert wird.

FVV-Faktencheck: Braucht Wien eine „6. Donauquerung“?

Die „6. Donauquerung“ in leiwanden Grafiken

Unsere erste leiwande Grafik zeigt die maximale Leistungsfähigkeit in Personen/Stunde aller bisherigen Donauquerungen – das sind im übrigen 11, und nicht erst 5 😉 – der Balken ganz rechts ist die geplante „6. Donauquerung“.

maximale Leistungsfähigkeit aller bisherigen Donauquerungen in Personen/Stunde 

In unserer zweiten leiwanden Grafik haben wir die maximale Leistungsfähigkeit in Personen/Stunde nach Verkehrsmitteln zusammengefasst – das blaue Zipferl ist die „6. Donauquerung“ – vernachlässigbar im Vergleich zur jetzt schon bestehenden Gesamtkapazität. Genauergesagt würde die Gesamtkapazität durch die „6. Donauquerung“ um 6,2% steigen, die Kapazität der Kfz-Querungen immerhin um 14,3%.

Maximale Leistungsfähigkeit der Donauquerungen nach Verkehrsmitteln in Personen/Stunde

Die bisherigen Annahmen und Quellen sind unten vermerkt.

Die wahre Absurdität der „6. Donauquerung“ wird erst sichtbar, wenn die theoretische Kfz-Kapazität (alt: 280.000, neu: 320.000 Personen/STUNDE) mit der aktuellen Verkehrsbelastung verglichen wird. Auf Wiener Stadtgebiet passieren knapp 400.000 Kfz die Donau – allerdings pro TAG! (s. Händische Straßenverkehrszählungen 2005, 2010 und ASFiNAG-Dauerzählstellen)

Aktuelle Verkehrsbelastung in Kfz/Tag

Gut, man kann natürlich einwenden, dass ein Besetzungsgrad von 5 Personen/Kfz völlig unrealistisch ist – stimmt! Aber vielleicht liefert ja der Besetzungsgrad einen Hinweis zur Lösung des Problems: die Praterbrücke hat eine Kapazität von 16.000 Kfz/h – das sind 19.200 Personen bei einem gängigen Besetzungsgrad von 1,2. Die „6. Donauquerung“ hätte (bei 2+2 Fahrspuren) eine Kapazität von 8.000 Kfz/h – also 9.600 Personen/Stunde.

Und jetzt kommt’s: bei einem Besetzungsgrad von 1,8 auf der Praterbrücke wäre die „6. Donauquerung“ nicht mehr notwendig (die 9.600 Personen würden in den 16.000 Kfz auch noch Platz finden).

Utopisch? Mitnichten: innerhalb einer Woche nach dem Einsturz der Reichsbrücke 1976 stieg der Besetzungsgrad auf den übrigen Donauquerungen von 1,21 auf 1,72 [5].

Annahmen:

Asfinag soll über Notwendigkeit von Straßeninfrastruktur entscheiden?!

Ein Unternehmen, das für Planung, Bau, Betrieb und Bemautung des hochrangigen Straßennetzes verantwortlich ist, soll also entscheiden, ob eine neue Straße sinnvoll ist!? Da drängt sich doch der bekannte Spruch auf: „if all you have is a hammer, everything looks like a nail“.

Quelle: https://diepresse.com/home/panorama/wien/4879680/SPOe-Wien_Keine-zweite-Mariahilfer-Strasse

Die Autofahrerclubs lobbyieren massiv und aggressiv für den Lobautunnel: Der ARBÖ beklagt, dass die vier [!] weiteren Donaubrücken für die Autofahrer oftmals keine Alternative darstellen, wenn der Verkehr mal wieder „kolapiert“ [sic], während der ÖAMTC gar schon von der 7. Donauquerung fantasiert.

Die Grünen hatten ja eine Sparvariante in Spiel gebracht (vom der A22 beim Knoten Kaisermühlen über/unter der Donau zur A4 beim Hafen Freudenau), die bisher nicht untersucht worden war und jedenfalls günstiger als der Lobautunnel wäre.

Gebetsmühlenartig wird jedenfalls das Argument wiederholt, dass der Lobautunnel notwendig wäre, um die Tangente zu entlasten und den freien Bürgern endlich wieder eine freie Fahrt zu bescheren. Unterstützt, wie so oft, vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU (wir erinnern uns fremdschämend), das festgestellt hat, „dass bei Stop-and-Go-Verkehr auf der Autobahn die Emissionen doppelt so hoch sind wie bei flüssigem Verkehr“ – thanks Captain Obvious!

Stau ist aber kein Verkehrsproblem, sondern 1) ein Symptom einer (zu) attraktiven Infrastruktur und 2) eine (sehr wirkungsvolle) gezielte verkehrsplanerische Maßnahme (!) zur Erreichung bestimmter Ziele (Klima, Modal Split, etc.). Jegliche Maßnahme zur Beseitigung von Stau führt unweigerlich zu einer neuerlichen Attraktivierung der Straße, zu neuem Verkehr und (zeitversetzt) zu noch mehr Stau (und noch mehr Emissionen). Das haben übrigens auch Teile des ÖAMTC schon eingesehen, behaupten in vermeintlicher Klientelpolitik aber oft das Gegenteil.

Die Untersuchungen der Strategischen Umweltprüfung „SUPer NOW“ zu den damals geprüften Varianten sind übrigens verfügbar [7,8] und enthalten brisante Details, z.B. dass (zugegebenermaßen im Jahr 2000) nur 6% des donauquerenden Verkehrs (in Wien) auch die Wiener Stadtgrenze überquerte – kurz: 94% waren Binnenverkehr. Und trotzdem wird die Bewältigung des Transitverkehrs ja immer als eines der wichtigsten Ziele der neuen Donauquerung genannt …

Soll der Schwedenplatz autofrei werden?

Quelle: Kieran Fraser Landscape Design

So einfach die Frage zuerst mit einem „JAAAAA!!!“ zu beantworten scheint, so ratlos ist man nach der Lektüre des Kurier-Artikels.

Was von der Zeitung (nahe an offener Parteiwerbung) als einfache, revolutionäre und umsetzbare Idee gefeiert wird, ist (wäre) nichts weiter als Kosmetik. Sah der ÖVP-Entwurf noch eine Untertunnelung des Schwedenplatzes vor, plädiert die SPÖ gleich für ein Verbannen der Fußgeher und Radfahrer in den 1. Stock – „Vier [Kfz-]Spuren sind auf jeden Fall möglich, für die Autofahrer soll kein Nadelöhr entstehen.“

Ein klitzekleines, wenn auch nicht ganz unbedeutendes Detail könnte doch ein Problem werden: die „leichten Rampen“, die „von allen Seiten auf den neuen Freiraum“ führen, wären bei einer angenommenen Höhe der Überplattung von 6m über 100m lang, zum Donaukanal hinunter wohl über 200m lang, wenn sie behindertengerecht ausgeführt würden.

Immerhin ist die Visualisierung realistisch – die Fußgeher nutzen schon ausgiebig den rot markierten Radweg. Wie das Auto im Hintergrund auf die Marienbrücke gelangt ist, bleibt aber ein Rätsel.

Um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Soll der Schwedenplatz autofrei werden? – So jedenfalls nicht.

Social Share Buttons and Icons powered by Ultimatelysocial