Die Reaktionen zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Dritte Piste reichen von „erleichtert“ bis „katastrophales Urteil“.
Der Rechtsanwalt des Flughafen Wien soll zur „Presse“ gemeint haben: „Meines Wissens ist es erstmalig, dass der Klimaschutz als Argument herangezogen wird, um ein konkretes Vorhaben zu untersagen. Ich glaube, es ist sogar weltweit zum ersten Mal der Fall.“ Und tatsächlich ist es bezeichnend, dass es Gerichte braucht, um die Gesundheit der Menschen zu schützen. Die Politik scheint in der Abwägung Gesundheit vs. Wirtschaftsinteressen die Prioritäten meist anders zu legen. (Mehr dazu und zum Spannungsfeld Politik – Wirtschaft – Recht erfahren Interessierte (nicht nur Studierende) übrigens in unserer Ringvorlesung „Gutachten, Gutachter und Sachverständige“.) Die Umweltoranisation VIRUS hofft indes auf eine Vorbildwirkung dieser Entscheidung, und „dass die in bisherigen Verfahren unterrepräsentierten Schutzgüter endlich auch allgemein jenes Gewicht bekommen, das ihnen zusteht.“ Weitere Medienberichte: |
Kfz-Verkehr nimmt ab
Good news!!
Der Motorisierungsgrad (Pkw/EW) sinkt in allen Bezirken, der Kfz-Verkehr nimmt flächendeckend im gesamten Wiener Gemeindegebiet ab.
Parkraumbewirtschaftung, Verkehrsberuhigungsmaßnahmen und verbilligte Jahreskarte wirken: erstmals gibt es sogar mehr Wiener Linien-Jahreskarten als Pkw.
Die Ergebnisse der alle 5 Jahre durchgeführten Straßenverkehrszählung auf Gemeindestraßen, die in Abb. 1 zusammengefasst sind, sind leider noch immer nicht verfügbar, obwohl eine Veröffentlichung Mitte 2016 geplant war.
Radwege als Parkplätze
Der Moment … wenn du in einem Satz deine völlige Systemunkenntnis offenbarst * und Jahre der (ohnehin halbherzigen) Positionierung als „Mobilitäts“club zunichte machst.
* Radverkehrsplanung im speziellen, aber Verkehrsplanung im Allgemeinen ist Angebotsplanung. Wo nicht die Möglichkeit besteht, objektiv und subjektiv sicher und attraktiv Rad zu fahren, wird auch niemand Radfahren. Dass Radfahren im Winter längst nichts Außergewöhnliches mehr ist, zeigen internationale Vorreiter.
„Adipöser freut sich über neuerliche Gewichtszunahme. Vorsatz für 2017: weitere Hosen kaufen.“
Die Euphorie über „Verkehrszuwächse“ und die „imposante“ Zahl an gefahrenen Kilometern hält sich – abseits der Autobahnbetreibergesellschaft – in Grenzen. Geradezu zynisch liest sich die Jubelmeldung, wenn man an die über 1.400 Toten jährlich durch Luftverschmutzung alleine aus dem Verkehrssektor denkt.
Offensichtlich ist es noch immer nicht gelungen, das Autoverkehrswachstum vom Wirtschaftswachstum (und umgekehrt) zu entkoppeln (wobei ja Verkehrszuwächse zufolge Autobahnbau – also zufolge Wirtschaftsleistung – eine selbsterfüllende Prophezeihung sind). Offensichtlich ist es noch immer nicht gelungen, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Offensichtlich wird zunehmender Autoverkehr immer noch als Leistung und nicht als Aufwand verstanden, also positiv statt negativ interpretiert. Mehr Autoverkehr heißt nur, dass die Raumordnung noch immer nicht in der Lage ist, Bedürfnisse vor Ort zu befriedigen, dass der öffentliche Verkehr für viele noch immer keine brauchbare Alternative darstellt, und dass gesundheits- und umweltschädliches Verhalten noch immer zu einfach, zu bequem ist und zu stark gefördert wird. |
Fahrrad-City-Querung durch die Wipplingerstraße
Die Argumente gegen die geplante neue Fahrrad-City-Querung durch die Wipplingerstraße mittels Radfahren gegen die Einbahn werden immer skurriler.
Stritten sich ÖVP und FPÖ bereits kurz nach Beschluss der Cityquerung darum, wer mehr gegen den Lückenschluss sei und die Anrainer mehr vor Radfahrenden schütze (beide verwenden übrigens fälschlicherweise den Begriff „Radweg“*), schafft die ÖVP nun einen besonderen Spagat:
Der Wegfall von 70 Stellplätzen (wobei auch die Zahlen 42 und 55 kursieren) würde den „anrainenden Unternehmerinnen und Unternehmern massiv schaden“, um im nächsten Satz zu kritisieren, dass dann stattdessen täglich 2.200 Radfahrer (Anm.: und eine entsprechende Anzahl an Brieftaschen) durch die Wipplingerstraße fahren würden.
(Der Verein der Freunde der OTS-Aussendungen von FPÖ-LAbg. Toni Mahdalik hätte übrigens seine Freude mit der ÖVP-Diktion: „Drüberfahr-Politik“, „Schikane in der Verkehrspolitik“, „politische Willkür“, „Anschlag auf die Praterstraße“, „Gefahr für Leib und Leben“, „Parkplatz-Raub“, „Altar der Ideologie“)
Die politische Auseinandersetzung geht inzwischen munter weiter.
Auch der ÖAMTC spricht sich gegen die Öffnung der Einbahn für Radfahrer aus [10], obwohl er inzwischen selbst die Vorzüge des Radfahrens entdeckt hat („keine Staus, weniger Einbahnen, weniger Fahrverbote und flexiblere Haltemöglichkeiten“) und obwohl Radfahren gegen die Einbahn eine nachweislich sichere Art der Radverkehrsführung ist.
* zur Erklärung:
Radwege sind per Definition baulich von der Fahrbahn getrennt.
Erlaubtes Radfahren gegen die Einbahn wird lediglich durch das Zusatzschild „ausg. Radfahrer“ an „Einbahn“- und „Einfahrt verboten“-Schildern sowie durch Bodenmarkierungen kundgetan.
FVV-Faktencheck: Autofahrer retten Klima?
Hey, Die Tagespresse, ihr bekommt ernsthafte Konkurrenz vom ÖAMTC.
13 Milliarden Euro spülen die Autofahrer also angeblich in die Staatskassen – und sind damit natürlich die Melkkühe der Nation. Ist das so? 2015 hat ein Autofahrer also im Schnitt 2.152 EUR an Steuern, Gebühren und Mauten bezahlt, 2000 waren es noch 1.682. Macht einen Anstieg von 28 %, oder? – Nein. Der Verbraucherpreisindex (VPI) 2000 für das Jahr 2015 beträgt ca. 134; inflationsbereinigt hat ein Autofahrer 2015 also 100 EUR weniger ausgegeben als im Jahr 2000! Und auch das ist wiederum nur eine Seite der Medaille. Was Automobil-Lobbys wie der ÖAMTC (wie immer) verschweigen, sind die externen Kosten des Autoverkehr – also jene, die die Allgemeinheit zu tragen hat (Kosten durch Lärmemssionen, Luftschadstoffe, Unfälle, etc.). Und die betragen in Österreich (2008) etwa 1.200 EUR – pro Einwohner/-in wohlgemerkt, nicht pro Autobesitzer/-fahrer/-in. Die Berechnung (nicht die Existenz) von externen Kosten ist teilweise umstritten, die Tendenz ist jedoch klar ersichtlich. Der Kfz-Verkehr kommt nicht für alle Kosten auf, die er verursacht, d.h. jeder im Kfz zurückgelegte Kilometer schädigt die Allgemeinheit. |
Kinder in Gitterkäfigen
Dem ist nicht viel hinzuzufügen …
Mehr dazu im ZOË-Bericht „Mobilität im Wandel“ (Link zum Interview mit Prof. Knoflacher ganz unten).
FVV-Faktencheck: Braucht Wien eine „6. Donauquerung“?
Die „6. Donauquerung“ in leiwanden Grafiken
Unsere erste leiwande Grafik zeigt die maximale Leistungsfähigkeit in Personen/Stunde aller bisherigen Donauquerungen – das sind im übrigen 11, und nicht erst 5 😉 – der Balken ganz rechts ist die geplante „6. Donauquerung“. In unserer zweiten leiwanden Grafik haben wir die maximale Leistungsfähigkeit in Personen/Stunde nach Verkehrsmitteln zusammengefasst – das blaue Zipferl ist die „6. Donauquerung“ – vernachlässigbar im Vergleich zur jetzt schon bestehenden Gesamtkapazität. Genauergesagt würde die Gesamtkapazität durch die „6. Donauquerung“ um 6,2% steigen, die Kapazität der Kfz-Querungen immerhin um 14,3%. Die bisherigen Annahmen und Quellen sind unten vermerkt. Die wahre Absurdität der „6. Donauquerung“ wird erst sichtbar, wenn die theoretische Kfz-Kapazität (alt: 280.000, neu: 320.000 Personen/STUNDE) mit der aktuellen Verkehrsbelastung verglichen wird. Auf Wiener Stadtgebiet passieren knapp 400.000 Kfz die Donau – allerdings pro TAG! (s. Händische Straßenverkehrszählungen 2005, 2010 und ASFiNAG-Dauerzählstellen) Gut, man kann natürlich einwenden, dass ein Besetzungsgrad von 5 Personen/Kfz völlig unrealistisch ist – stimmt! Aber vielleicht liefert ja der Besetzungsgrad einen Hinweis zur Lösung des Problems: die Praterbrücke hat eine Kapazität von 16.000 Kfz/h – das sind 19.200 Personen bei einem gängigen Besetzungsgrad von 1,2. Die „6. Donauquerung“ hätte (bei 2+2 Fahrspuren) eine Kapazität von 8.000 Kfz/h – also 9.600 Personen/Stunde. Und jetzt kommt’s: bei einem Besetzungsgrad von 1,8 auf der Praterbrücke wäre die „6. Donauquerung“ nicht mehr notwendig (die 9.600 Personen würden in den 16.000 Kfz auch noch Platz finden). Utopisch? Mitnichten: innerhalb einer Woche nach dem Einsturz der Reichsbrücke 1976 stieg der Besetzungsgrad auf den übrigen Donauquerungen von 1,21 auf 1,72 [5]. Annahmen:
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Asfinag soll über Notwendigkeit von Straßeninfrastruktur entscheiden?!
Ein Unternehmen, das für Planung, Bau, Betrieb und Bemautung des hochrangigen Straßennetzes verantwortlich ist, soll also entscheiden, ob eine neue Straße sinnvoll ist!? Da drängt sich doch der bekannte Spruch auf: „if all you have is a hammer, everything looks like a nail“.
Die Autofahrerclubs lobbyieren massiv und aggressiv für den Lobautunnel: Der ARBÖ beklagt, dass die vier [!] weiteren Donaubrücken für die Autofahrer oftmals keine Alternative darstellen, wenn der Verkehr mal wieder „kolapiert“ [sic], während der ÖAMTC gar schon von der 7. Donauquerung fantasiert. Die Grünen hatten ja eine Sparvariante in Spiel gebracht (vom der A22 beim Knoten Kaisermühlen über/unter der Donau zur A4 beim Hafen Freudenau), die bisher nicht untersucht worden war und jedenfalls günstiger als der Lobautunnel wäre. Gebetsmühlenartig wird jedenfalls das Argument wiederholt, dass der Lobautunnel notwendig wäre, um die Tangente zu entlasten und den freien Bürgern endlich wieder eine freie Fahrt zu bescheren. Unterstützt, wie so oft, vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU (wir erinnern uns fremdschämend), das festgestellt hat, „dass bei Stop-and-Go-Verkehr auf der Autobahn die Emissionen doppelt so hoch sind wie bei flüssigem Verkehr“ – thanks Captain Obvious! Stau ist aber kein Verkehrsproblem, sondern 1) ein Symptom einer (zu) attraktiven Infrastruktur und 2) eine (sehr wirkungsvolle) gezielte verkehrsplanerische Maßnahme (!) zur Erreichung bestimmter Ziele (Klima, Modal Split, etc.). Jegliche Maßnahme zur Beseitigung von Stau führt unweigerlich zu einer neuerlichen Attraktivierung der Straße, zu neuem Verkehr und (zeitversetzt) zu noch mehr Stau (und noch mehr Emissionen). Das haben übrigens auch Teile des ÖAMTC schon eingesehen, behaupten in vermeintlicher Klientelpolitik aber oft das Gegenteil. Die Untersuchungen der Strategischen Umweltprüfung „SUPer NOW“ zu den damals geprüften Varianten sind übrigens verfügbar [7,8] und enthalten brisante Details, z.B. dass (zugegebenermaßen im Jahr 2000) nur 6% des donauquerenden Verkehrs (in Wien) auch die Wiener Stadtgrenze überquerte – kurz: 94% waren Binnenverkehr. Und trotzdem wird die Bewältigung des Transitverkehrs ja immer als eines der wichtigsten Ziele der neuen Donauquerung genannt … |